Zu Besuch bei Adi Looper befragen wir sie zu ihrem Projekt Zimmerreisen.
Stefie: Was macht ihr da beim Zimmerreisen?
Adi: Wir knacken die Geste des Reisens. Anstatt Exotik entdecken wir die nahe Ferne. Im Falle der Zimmerreisen befindet sich die Ferne nicht sehr weit weg, möglicherweise nur ein paar Häuser weiter. Wir brechen auf, verlassen den Raum der Gewohnheit, gehen dorthin, wo wir zuvor noch nie waren, an den damit exotischen Ort. Wir gehen dorthin einzig und allein, um uns dort umzuschauen. Und das ist der zweite wesentliche Aspekt des Reisens: die besondere Wahrnehmung. Denn wir schauen am Reiseziel ganz genau hin, viel genauer als im Alltag oder in den Grenzen der Konventionen des Gastseins. Wir kommen als Fremde und gucken uns als Zimmerreisende hemmungslos an, wo wir da gelandet sind.
Stefie: Ihr seid dicht am Voyeurismus.
Adi: Natürlich geht es um die Lust am Schauen und auch um die am Sich-Zeigen. Aber es geht neben dem Reisen auch um ganz normale gesunde Begegnungen zwischen Menschen. Und die haben automatisch Anteile des Schauens und Sich-Zeigens. Wichtig ist natürlich, was wir im Rahmen des Projekts öffentlich werden lassen und dass die Anonymität immer gewahrt ist. Und das nicht nur aus Pietät, sondern als künstlerische Mittel. Ich will ja Typen zeigen, nicht Individuen.
Stefie: Ok, das soll heißen?
Adi: Das ist mein persönlicher Fokus beim Zimmerreisen. Ich will etwas sichtbar machen, bzw. aufdecken. Die anonyme Darstellung erlaubt es mir, erbarmungslos hinter die Selbstinszenierung zu schauen, die gestalteter Wohnraum ja auch immer gleichzeitig ist. Mich interessiert nicht das Bestätigen von Life-Style, sondern ein subversives Unterwandern des Images, das wir mit der Gestaltung unseres Wohnraums zu erreichen suchen. Und da wird es doch gerade interessant. Gerade die Abseiten zeichnen in ihrer Verletzlichkeit ein klares Bild des zeitgenössischen Lebens überhaupt.
Stefie: Und du bist dann diejenige, die das beurteilen kann?
Adi: Ja, das wäre schön. (lacht) Nein, natürlich bringe ich auch immer meine eigene Misere mit ins Rennen. Und mit dieser erlebe ich dann meine Reise. Aber da das Zimmerreisen eine gemeinsame Sache ist, die getragen wird von der Gruppe und den anderen Zimmerreisen, steht die Haltung, mit der jeder Zimmerreisende aufbricht, in einem bestimmten Geiste.
Stefie: Aha, ein bestimmter Geist, eine gemeinsame Sache… Inwiefern?
Adi: Zweierlei. Ich könnte ja einfach losziehen, mir fremde Wohnungen anschauen und Reiseberichte davon machen – festhalten, was ich erlebt habe. Das reicht mir aber nicht. Denn mein persönlicher Blick auf die Dinge kann nicht weit genug führen. Ich möchte diese sehr subjektiven Eindrücke ergänzen durch die Blicke anderer und ihr Reiseerleben. Mehrere Stimmen entkräften das Zuviel der Subjektivität. Außerdem kann mein Blick sich Im Austausch viel gezielter entwickeln und das will ich mir nicht entgehen lassen. Die Reisen der anderen sind ebenso interessant wie meine eigenen. Für mich persönlich und für das Arbeitsergebnis. Darum reisen wir in Gruppen.
Stefie: Du hast also keinen sachlichen Dokumentationsanspruch.
Adi: Nein, zum Glück nicht. (lacht) Die Gruppe gibt mir die Freiheit, unsachlich zu sein. Und Zimmerreisen müssen ja auch sehr persönlich sein – es geht um Privates, den Wohnraum – und deshalb ist auch ihr Output sehr persönlich. Daneben ist es natürlich schon so, dass eine gewisse Professionalisierung nicht ausbleibt. Man entwickelt sich im Reisen. Wie Reinhold Messner am Berg. Zimmerreisende auf ihrer ersten Reise überraschen sich häufiger selbst in ihrem Erleben und auch in ihrem Reisebericht. Um so interessanter ist es für alle Beteiligten.
Stefie: Reisebericht?
Adi: So nenne ich zusammenfassend die „Dokumentationsformen“. Bilder, Texte, Video, Audio, Erzählen, was so reinkommt. Jeder benutzt die Medien, die ihm am liebsten sind. Aber jetzt wird das hier gerade eine Gebrauchsanweisung. Kann man nachlesen auf der Website zr.kunsthallebelow.de, glaube ich.
Stefie: Ok, dann erstmal vielen dank für die Einblicke!
Adi: Bitte! Mach doch auch mal mit! 😉 (lacht)